Spät am Abend kommen die Zuschauer im Festivalzentrum zusammen. Auf Monitoren erscheinen sie neben ihren Mitbewohnern in Berlin, Buenos Aires, Warschau und Zürich, während der Abend nach und nach in die Party übergeht. In kleinen Gruppen steigen sie auf das Dach, um auf die Bühnen und Ereignisse zurückzublicken. Was war das für ein Tag? Was habe ich gesehen?

Nachts im Sommer werden Dächer zu Lebensräumen. Zwischen den fernen Geräuschen aus den Straßen und dem Smoghimmel über der Stadt begegnet das Publikum jemandem, der den Tag in der Stadt verbracht hat, ohne etwas zu sehen.  Blinde orientieren sich an Bremsgeräuschen, Randsteinkanten und Gerüchen.  Aus ihrer Perspektive lässt das Publikum das am Festival Gesehene noch einmal Revue passieren und gleicht es ab mit dem Hörbild einer unsichtbaren Stadt. Was bleibt in Erinnerung?

Stefan Kaegi, Berlín

Stefan Kaegi (1972) inszeniert in verschiedensten Konstellationen dokumentarische Theaterstücke, Hörspiele und Stadtraum-inszenierungen. Oft kommen darin „Experten der Wirklichkeit“ statt Schauspieler zur Sprache. Mittels Recherchen, Castings und Intervention werden die Stücke aus ihrem Kontext herausdestilliert.
Am Theater Basel entstand so Kaegis Modelleisenbahnwelt "Mnemopark" als Live-Filmset im Maßstab 1:87, das in über 30 Städten zwischen Tokyo und Montreal gezeigt wurde. Jahrelang tourte Kaegi mit zwei bulgarischen Lastwagenfahrern und einem zum mobilen Zuschauerraum umgebauten LKW durch die Welt (Cargo Sofia). Letztes Jahr inszenierte er 10.000 Heuschrecken für das Schauspielhaus Zürich und vier Muezzine in Kairo (“Radio Muezzin”).
Gemeinsam mit Helgard Haug und Daniel Wetzel arbeitet Kaegi unter dem Label „Rimini Protokoll“, das seit 2004 als Artist-in-Residence am HAU Berlin produziert und 2008 mit dem europäischen Preis „New Realities in Theatre“ ausgezeichnet wurde. Zuletzt inszenierte Kaegi in Vancouver mit Helgard Haug „Best Before“ - ein Videospiel für 200 Theaterzuschauer. Und zu dritt mit Daniel Wetzel “100% Wien” mit 100 statistisch eruierten Vertretern der Stadt bei den Wiener Festwochen.
Seit 2006 arbeitet Kaegi auch gemeinsam mit Lola Arias: Zuletzt in „SOKO São Paulo“ mit brasilianischen Polizisten und in „Airport Kids“ mit globalisierten Nomaden im Alter zwischen 7 und 13 Jahren.
2010 wurde Kaegi von der Europäischen Kulturstiftung mit dem Routes-Award für „Cultural Diversity“ ausgezeichnet.

www.rimini-protokoll.de